Um gleich mal mit offenen Karten zu spielen würde ich gern eine Kurzgeschichte posten, die aus meiner Feder stammt und sich (etwas ironisch) mit diesen verscherften Rauchergesetzen auseinander setzt... Vielleicht besteht ja Interesse an einem kleinen Schwung Literatur...
Wenn es nicht passig ist, einfach löschen...

Raucher oder Nichtraucher, das ist hier die Frage
Mein Brustkorb pochte, meine Hände zittrig und feucht vor Schweiß, ihre erzwungene Haltung schmerzte. Meine Nase war wie betäubt vom Gestank des Bahnhofsklos, auf das ich fliehen musste. Ich wusste einfach nicht mehr weiter. Die ZiPo hatte sich an meine Fersen geheftet. Sie waren mir schon so nahe, dass ich den Atem ihrer Rottweiler förmlich im Nacken spüren konnte. Doch ich war am Ende, meine Beine wollten nicht mehr. Ich war zur Aufgabe bereit. Aber bevor ich mich hinrichten lasse, möchte ich der Nachwelt noch einen Einblick in das heutige Deutschland hinterlassen, den Grund nennen für meine Flucht und mein erbärmliches Zugrundegehen auf irgendeinem stinkenden Bahnhofsklo.
Es begann alles am 31. Mai 2010. Ich saß mit einer qualmenden Gauloises in einem speckigen Unterhemd und kneifenden Boxershorts auf dem Sofa und folgte mit trübem Blick dem alltäglichen Fernsehtrott. Von Talkshows über Gerichtssendung zu den Abendnachrichten. Dem Einschlafen nahe, riss mich ein Beitrag fast vom Sofa. Die Entstellung der Zigarettenschachteln durch schwarze Lungen und Raucherbeine war schon seit Anfang des Jahres durchgesetzt. Doch erfolglos, die Jugendlichen tauschten die Schachteln wie Paninisticker. Die Regierung war durch diesen Misserfolg mehr als schockiert und schraubte das Mindestalter zum Erwerb von Zigaretten schnurstracks auf einundzwanzig hoch. Die Jugend solle vor ihren eigenen zerstörerischen Gewohnheiten geschützt werden; so die Begründung der Regierenden. Derartiges ging mich nichts an, ich war immerhin fünfunddreißig. Doch die Mitteilung, die die Nachrichtensprecherin in diesem Moment zum Besten gab, ließ alle anderen Maßnahmen zu einem Witz werden. Lasst es mich am besten zitieren, denn ich habe den genauen Wortlaut noch immer im Ohr: >18 Uhr 45 Minuten, Berlin. Soeben ließ das Bundeskabinett nach einer achtstündigen Diskussion verkünden, dass eine neue Sondereinheit der Polizei gegründet werden solle. Ihre Tätigkeit sollte in der Verfolgung jeglicher Rauchgutkonsumenten bestehen. Der Titel dieser Polizeiergänzung solle wohl, soweit uns bekannt, Zipo heißen. Als sinnvolle Ergänzung dieser Einheit, würde ein absolutes Rauchverbot in Deutschland erlassen. Gültig ab dem 10. Juni 2011. Nun zum Wetter…< Klasse, es sollte morgen regnen und dazu kam noch, dass die Politik ein Gesetz erließ, das jegliches Rauchen verbot? Ich konnte es nicht fassen! Geschockt zündete ich mir eine weitere Zigarette an, die achtundzwanzigste heute. Nicht nur, dass sie damit eine meiner persönlichen Gewohnheiten verbot, nein, sie zerstörten meine Existenz! Ich war nämlich oberster Kopf einer Organisation, die aus Polen und der Türkei Zigarettenstangen schmuggelte, um sie in Deutschland zu einem Bruchteil des hiesigen Preises zu verhökern. Eine Schachtel 8€. Ein Drittel des Ladenpreises. Das Geschäft boomte! Wir verkauften nun schon -natürlich unter der Hand- an halb Frankfurt.
Was sollte denn jetzt aus meinem Unternehmen werden? Ich hatte immerhin rund fünfzig Arbeitsplätze geschaffen und trug für meine Angestellten die Verantwortung. Doch es war noch gut ein Jahr hin bis zur Einführen des Gesetzes und der ZiPo. Ich atmete erst einmal tief durch um eine klaren Kopf zu bekommen und beschloss vorerst weiter zu agieren wie gehabt. Was sollte ich auch anderes machen?
Außer mir hatten natürlich noch viele andere von dieser Nachricht erfahren. Aus Angst, bald keine Zigaretten mehr kaufen zu können, hatten wir einen Kundenzuwachs wie noch nie!
So katapultierten wir uns an die obere Spitze des Zigarettenschmuggels in Frankfurt. Dies bedeutete nicht nur ein Spitzeneinkommen, sondern leider auch eine extrem erhöhte Nachfrage, die wir kaum zu stillen vermochten. Inzwischen kauften wir schon aus Bulgarien und Spanien, trotzdem war meist alles ausverkauft. Wir verdienten wie noch niemals zuvor!
Bis zum 21. Januar 2011 ging alles glatt, wir hatten Zigaretten, die Kunden kauften wie verrückt. Aber an diesem Tag ließ der Staat das sofortige Inkrafttreten der Agenda Rauchfrei verkünden. Per sofort hatten alle Tabakwaren zu verschwinden. Die vollständige Umsetzung dieser Verordnung musste spätestens bis Anfang des nächsten Monats erfolgt sein.
Ab dem 21. Februar 2011 stand auf Zigarettenbesitz Gefängnis und auf Nikotinkonsum die Todesstrafe.
An diesem Tag schwärmte die ZiPo das allererste Mal aus. Sie nahmen zehn meiner Geschäftspartner hoch. Ich traute meinen Ohren nicht! War das alles ein verdammt schlechter Scherz? Ich kam mir vor wie in einem Albtraum, aus dem mich kein Wecker zu reißen vermochte. Hinzu kam, dass die Regierung eine Verordnung erließ, die die Einfuhr von Zigaretten am Zoll gänzlich untersagte. Es wurden sogar staatliche Sanktionen an alle umliegenden Länder ausgesprochen. Kein deutscher Staatsbürger durfte mehr Zugriff auf Zigaretten haben.
Diese internationale Sanktion, wie es die Staatsoberhäupter nannten, wurde von allen Ländern ausnahmslos eingehalten. Nur die Türkei verkaufte noch, zwar wenig, aber sie verkauften. Es war eine Art Rache an der EU für die Nichtaufnahme. Natürlich reichte es nicht, ausschließlich von der Türkei zu beziehen. Einige wenige Kunden hatten Verständnis für diese Situation, der Großteil war verärgert, weil sie nicht genug Zigaretten bekamen. Sie begannen zu drohen, sie würden mich anschwärzen, würden mich boykottieren, einige drohten sogar mit Mordanschlägen.
In den folgenden Wochen bekam ich drei Mal Besuch von der ZiPo, die aber nichts weiter beanstanden konnte, außer meinen vergilbten Vorhängen.
Am 5. März 2011 besuchte mich sogar ein Backstein, der mein Fenster zertrümmerte. Er teilte mir in schlechtem Deutsch mit: Ich werde dich erstricken, hängen an Brett an Decke, mit deiner Penis in Hals! Oder stecken 200 Stangen L&M in Koffer bei Bahnhof. Außerdem erfuhr ich, dass ich Sex mit einem Hund, meiner Mutter und meiner Oma hatte und dass ich eine deutsche Kartoffel mit Vorliebe für kleine Jungs wäre.
Ein wenig beunruhigt über die Mitteilung des Steins zündete ich mir eine Zigarette an und beschloss für ein paar Tage aus meiner Wohnung zu verschwinden. Ich zog mich an und drückte im vorbeigehen die Zigarette aus.
In Ausgehmontur, meinen gelben Krokodillederschuhe, dazu ein weißer Anzug mit violettem Lacoste Hemd und einem weißen Hut, den ich tief in mein Gesicht zog, verließ ich meine Wohnung um kurzzeitig bei einem Berufskollegen unterzutauchen. Er war Bodybuilder und ließe sich sicher nicht von einem Stein einschüchtern, dies schenkte mir Zuversicht.
Als ich aus meiner Tür schritt empfingen mich zwei Uniformierte. Ein Duo wie Terence und Bud. Der eine ein großer und schlanker, muskulös aussehender Typ, sonnenstudiogebräunt, mit einem Oberlippenbart, der andere ein ungesund-fettleibig aussehender Klotz, mit Oberarmen wie ich Schenkel hatte. Ich versuchte mein Entsetzen zu kaschieren. <N’abend die Herren. Was machen zwei so beeindruckend aussehende Typen vor meinem bescheidenen Domizil? Ich habe doch hoffentlich die Miete nicht vergessen?>
Sie schauten unberührt und irgendwie abwesend. Nach längerem Mustern entschloss sich Bud etwas zu sagen (ich nehme an er hatte sich diesen Satz schon Zuhause ausformuliert und ihn auswendig gelernt):
<Raucher oder Nichtraucher, das ist hier die Frage!> Ich guckte ihn wohl eine Nummer zu verblüfft an, aber mit einem so dummen Satz hatte ich wirklich nicht gerechnet. Schnell fügte Terence hinzu: <Entschuldigen Sie die späte Störung, doch wir haben die berechtigte Vermutung, das Sie in Berührung mit Rauchgut stehen.> Oh verdammt, wie Recht er hatte. Die ganze Sache wurde langsam sehr brenzlig. Ich antwortete mit einem Ich-Bin-Unschuldig-Lächeln, bis mir das Gegrinse zu doof wurde und ich gespielt empört antwortete: <Raucher?! Seit wann haben wir denn noch Raucher in unserer Gesellschaft? Gibt es wirklich noch solch Abschaum? Wie empörend! Doch jetzt wo Sie’s sagen, ich habe mitbekommen wie ein mir unbekannter bei einem Dealer hier ganz in der Nähe eine Stange Zigaretten kaufte. Ich wette er schleicht hier öfter um den Block. Halten Sie die Augen offen!“ Den letzten Satz flüsterte ich fast und kam Terence Gesicht ziemlich nahe, ein riesiger Fehler, ich hatte meine letzte Zigarette ja eben erst ausgemacht und roch noch dementsprechend. Sofort griff Terence unauffällig in seine Manteltasche und wühlte in ihr herum, ich beachtete das nicht weiter und sagte abschließend zu beiden: <Also was immer Sie sich hier zu finden erhoffen, ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Suche. Doch kann ich leider nicht weiter mit Ihnen beiden Sportsfreunden plaudern, denn meine Freundin wartet, Sie wissen ja wie die Weiber sind! Sie verstehen sicher…> und direkt zu Terence: <Ich empfehle Ihnen, observieren Sie nur kurze Zeit die Gegend und Sie haben Ihren Fisch an der Angel, versprochen!>
Terence unterbrach sein Wühlen. <Nun, wir werden uns noch ein wenig umschauen, vielleicht finden wir ja etwas Handfestes, ich nehme an, Sie haben nichts dagegen?> <Nein, nein. Nur zu. Ich will doch der ZiPo nicht im Wege stehen bei ihren Ermittlungen. Ich hoffe Sie finden die Schweine!> Ich wandte mich zum Gehen, mein Herz schlug schon in meinem Hals. So knapp war es noch nie! War es denn in Ordnung, dass ich einfach Hinkel angeschissen hatte? Warum nicht! Ich wusste eh nicht mehr als seinen Namen, er war ja nur einmal zu mir gekommen. Gut es war nicht loyal, und nicht brüderlich, doch habe ich hier draußen mehr zu erledigen als er und überhaupt, er ist eh schon steinalt! Ich saß ja eben schon fast mit einer Backe auf dem Elektrischen Stuhl, nach ihm würden sie noch ein Weilchen suchen und in der Zeit konnte ich untertauchen.
Plötzlich ergriff mich Bud mit fester Hand und drückte mir die Arme, ganz nach Polizeimanier, auf den Rücken. Ich schrie auf vor Schreck und Schmerz und begriff, wonach Terence in seiner Manteltasche gefischt hatte: Handschellen. Fest umspannten sie nun meine Gelenke. Ich versuchte zu protestieren, doch sofort drückte mir Bud seine von MacDonalds aufgedunsenen Finger energisch aufs Gesicht. Ich war am Arsch! Vergebens versuchte ich mich zu befreien. Zwecklos! Von der ZiPo gefasst, vor Angst zitternd und weinend, bemerkte ich im Augenwinkel, wie ein Mann mit schwarzem Jogginganzug, schwarzen Handschuhen und einer Maske auf Terence Zeichen hin hinter uns her schlich. Irgendwie kam mir sein leicht hinkenden Gang bekannt vor, doch ich hatte zuviel Angst vor dem Bevorstehenden, als dass ich mich hätte fragen können woher. Tonlos fragte Terence: <Wir wissen von dem Backstein. Wir wissen von Ihrem Drogenring und Sie wissen doch sicher, was Ihnen jetzt blüht, oder?> Ich war nicht imstande zu antworten. <Wollen Sie gar nicht wissen woher?> Mit gespielter Gleichgültigkeit kam meine Antwort: < Ich nehme an, Sie haben die Pfeife, die uns so unauffällig folgt, beauftragt mir zu drohen und Sie haben erwartet, dass ich auf die Drohung eingehe. Aber 200 Stangen L&M, das kam mir gleich spanisch vor, nicht einmal ich habe die auf Vorrat!> Ich hätte mich dafür ohrfeigen können, es sollte eigentlich vollkommen ironisch und patzig klingen, doch lag es auf der Hand, genau das was ich eben zu Terence sagte, wollte er hören um mich dran zu kriegen! Ich Idiot! <Nun ja, damit liegen Sie fast richtig, nur das nicht wir ihm, sondern er uns beauftragt hat Sie noch mal genauestens unter die Lupe zu nehmen. Die Idee mit dem Backsteinanschlag kam von dem Maskierten der uns nun, wie Sie richtig beobachtet haben, folgt. Warum er Sie verriet wissen wir nicht, vielleicht wegen der Belohnung von 2000 €?> Terence lachte triumphierend. Plötzlich stieg eine enorme Wut in mir auf. Wut auf mich selbst, Wut auf den Typen der mich verpfiffen hatte, Wut auf Terence dreckige Lache und Wut auf Buds widerlichen Gestank nach Friteusenfett und Achselschweiß. Meine Angst war völlig verflogen. Ich riss mich mit aller Kraft los und rannte, ich rannte um meine Freiheit, um mein Leben. Zu meinem Glück durfte die ZiPo keine Schusswaffen tragen, da die Raucher als soziale Unterschicht galten und die Regierung Angst hatte, die Rauchenden könnten sich die Waffen der ZiPo aneignen und sie erschießen, wobei die Regierung das Detail vergaß, das grade die soziale Unterschicht über den Schwarzmarkt Zugang zu Waffen hatte. Aber dieser Denkfehler war meine Rettung. Allein ein Fluchen von Bud weil er rennen musste und ein Stöhnen von Terence dem ich meinen Ellenbogen in den Magen gestoßen hatte, worauf er schmerzerfüllt zu Boden sank, hörte ich noch. Ich vernahm nur noch wie der fettärschige Bud sein Funkgerät schnappte und Verstärkung rief, doch nicht mal mehr das beunruhigte mich, es war eh schon alles vorbei, sie würden mich sowieso schnappen und meinen Hintern auf dem Elektrischen Stuhl rösten.
Doch fragte ich mich, welche Ratte mich verraten hatte und floh um zu überlegen und Luft zu schnappen auf ein Bahnhofsklo, auf das Klo, auf dem ich hocke während ich euch diese Geschichte hier erzählte.
Ich zündete mir eine letzte Zigarette an, die letzte für immer, doch das wollte ich, immer hatte ich mir selbst gesagt: Wenn du gefasst wirst, dann nur mit blauem Dunst zum Abschied! Ein rauchender Märtyrer in einem Land, in dem es auf den Genuss eines Luxusgutes Todesstrafe gibt. Raucher werden verfolgt und verabscheut wie Schwarze in Afrika. Welch eine Demokratie, welch eine Welt. Mit geschlossenen Augen genoss ich die letzten Züge meiner Zigarette und vor meinem inneren Auge hinkte wieder der Verräter, woher kannte ich ihn nur?
<Zwei Stangen Gauloises bitte.> Er hinkte ins Lager und übergab die Stangen, während er zu der Frau im Flüsterton sagte: <Hier, aber passen Sie gut auf, man kann nie vorsichtig genug sein. Es gibt überall Spitzel, das schwöre ich Ihnen.>
Simon Rieske
Ich hoffe die Länge des Posts schreckt nicht ab!^^
Liebe Grüße:
Gauloises =)