Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

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Joyrider
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Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

Beitragvon Joyrider » 04.10.2019, 10:55

In den Medien höre ich immer öfter, dass sich die Menschen eine Abschaffung von Bargeld wünschen und lieber mit Karte oder Smartphone bezahlen möchten.

Mich interessiert, wie die PCE'ler darüber denken.



Ich persönlich halte es für bedenklich, vor allem weil soviele Medien (auch die öffentlich rechtlichen) so enorm gegen Bargeld sind und konsequent nur die Nachteile aufzählen, während die Vorteile unter den Tisch fallen.

Contra Bargeld aus den Medien:
Zu schwer.
Zuviel kleines Kupfergeld, soviel zu zählen.
Man muss zur Bank gehen und Geld abheben.
Es dauert an der Kasse zu lange damit zu bezahlen.
1-5 Cent können eh entfallen, nutzt ja eh kaum jemand.

In meinen Augen ist es erschreckend, dass die "Befragten" solche Argumente bringen. Die 500-Euro-Scheine sind schon weg, als Nächstes wird dann bald das Kupfergeld folgen. Und im Anschluss eventuell die anderen Münzen und Noten, die Mehrheit möchte es ja anscheinend.
So ein blindes Vertrauen in den Staat und in die Banken halte ich für sehr gefährlich. Ist bei den Supermärkten aber auch so. Karte rauflegen und schnell weiter, "Bon brauche ich nicht", nachzählen und überprüfen tut scheinbar niemand.

Die Nachteile von Kartenzahlungen, Smartphone und Co werden komplett ausgeblendet: Man hinterlässt eine Datenspur und wird absolut gläsern. Die Banken, der Staat, alle Interessenten die an die Daten heran kommen (legal oder illegal) wissen was wann wo wie gekauft wurde. Zudem gibt es in der Welt genug Unrechts-Regimes, wo solche Daten negative Folgen haben können.
Auch ein Bankkonto kann mal gesperrt werden, auch wenn man "nichts gemacht und nichts zu verbergen hat", Fehler passieren jedem mal, auch den Banken.

Die anoyme Bezahlmöglichkeit mit Bargeld halte ich für ein hohes und wichtiges Gut, allerdings scheine ich da mittlerweile die Ausnahme zu sein.

Es gibt auch schon erste Restaurant, die ausschließlich Kartenzahlung akzeptieren. Die Begründung: Die Mitarbeiter werden gut bezahlt, ein Trinkgeld ist daher nicht nötig. Und Kartenzahlung geht schneller.


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Re: Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

Beitragvon linkin_park_forever » 09.10.2019, 01:19

Joyrider hat geschrieben:In den Medien höre ich immer öfter, dass sich die Menschen eine Abschaffung von Bargeld wünschen und lieber mit Karte oder Smartphone bezahlen möchten. Mich interessiert, wie die PCE'ler darüber denken.


Die Lösung für das Bargeld liebende Deutschland liegt in der Koexistenz von Bargeld und elektronischen Zahlungen.

Die Kartenakzeptanz ist in DE ohnehin ein andauerndes Desaster, nicht zuletzt begünstigt durch ein gewisses Insel-Produkt namens Girocard. Die Österreicher bekleckern sich zwar auch nicht gerade mit Rum, vertreten jedoch ausschließlich internationale Standards. Maestro ist dort die "EC"-Karte. Du merkst bereits - ich mag Kartenzahlungen. Gleichermaßen sollten die Bürger die Wahl haben, wie sie zahlen möchten. Ich bin nur strikt gegen die Verfechter der "Nur Bares ist Wahres"-Mentalität. Diese Menschen sollten mal hinterfragen, wie sie ihre Miete oder die Krankenkassenbeiträge zahlen. Gleichermaßen kotzt es mich an, wenn ich im Restaurant bei Beträgen unter 10€ Augenverdrehen ernte, nur weil ich das gerne mit Karte zahlen möchte. "Mit Karte zahlen" heißt in DE zudem nach wie vor "mit EC-Karte". Fang mal an zu sagen, dass du "mit Kreditkarte bezahlen" möchtest. Dieser Satz ist hierzulande ein probates Mittel, sich selbst ein Bein zu stellen, weil trotz technisch vorhandener Akzepanz die Wirte oder Verkaufsstellen gerne mal dazwischengrätschen und eine Girocard fordern. Veraltete und überteuerte Akzeptanzverträge sowie mangelnde Kenntnisse über bargeldlose Zahlungsvorgänge sind dabei mit verantwortlich.

Zum gläsernen Bürger: Stimmt, die Transaktionen werden nachverfolgbar. Mir persönlich ist es jedoch (vorerst) egal, ob meine Bank mit den Daten mein Konsumverhalten unter die Lupe nehmen kann. Im Falle meiner Kreditkartenanbieter erhalte ich teils personalisierte Cashback-Angebote, die ich bisher immer recht gut fand. Man gibt seine persönlichen Daten für teils deutlich weniger Geld her...

Joyrider hat geschrieben:Es gibt auch schon erste Restaurant, die ausschließlich Kartenzahlung akzeptieren. Die Begründung: Die Mitarbeiter werden gut bezahlt, ein Trinkgeld ist daher nicht nötig. Und Kartenzahlung geht schneller.


Die Begründung erschließt sich mir nicht ganz. Ein wesentlicher Vorteile von Kartenzahlungen in z.B. Bäckereien ist die verbesserte Hygiene. Von Keimen übersätes Bargeld wandert zwischen den Händen der Kassierer und Kunden umher. Der Dreck gelangt somit auch auf die Brötchen. Es gibt in diesem Zusammenhang auch eine Bäckerei, die kurioserweise einen (teuren) Bargeld-Bezahlautomaten aufgestellt hat. Somit können sie am Kleingeld festhalten und es bleibt alles sauber. Dass ein NFC-Terminal mit passendem Tarif wesentlich günstiger gewesen wäre, war nicht von Belang.

Trinkgeld: In vielen Ländern ist es üblich, dass der Tip im Terminal eingegeben und gleich mitbezahlt wird.

An der Bargeldakzeptanz wird sich in Deutschland zu unseren Lebzeiten nicht viel ändern. Die Akzeptanz von KK und kontaktlosem Bezahlen wird nach und nach steigen. In München habe ich es in den letzten 5 Jahren besonders stark gemerkt. Tap & pay nimmt zu, kontaktloses Bezahlen von Kleinbeträgen im Supermarkt und Discounter ist überhaupt kein Problem mehr, das "Kartengrabschen" fast gar nicht mehr zu beobachten. Und mal ehrlich: Die inhabergeführten Läden oder Restaurants, die draußen an der Türe schon die Verbotsschilder für "keine Kartenzahlung" kleben haben, schleusen doch gerne mal was am Fiskus vorbei. In einer großen Stadt bedeutet die bloße Kreditkartenakzeptanz zudem potentiell mehr Kundschaft.

Ich persönlich habe im Geldbeutel nurmehr drei Bezahlkarten und keine davon ist eine Girocard. Eine Bargeldreserve (max. 50€) führe ich nur dann mit, wenn ich weiß, dass ich mich in Bargeld-Only-Gefilde begebe. Ansonsten kann ich bei Bedarf bequem an jedem ATM der Welt gratis Bargeld beziehen - den vielfältigen und oftmals kostenfreien Produkten auf dem Markt sei Dank. PS: Die Banken und der Handel würden sich einen ganzen Haufen Geld sparen, wenn die Deutschen generell weniger Bargeld rauslassen würden. Das Verwahren und Transportieren von Barem ist nicht ganz billig.

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Re: Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

Beitragvon Benschzilla » 09.10.2019, 07:55

Ich bezeichne mich selbst als Freund bargeldloser Transaktionen, da ich zum Teil einfach gar kein Bargeld mehr dabei habe. Es ist wunderbar praktisch, schnell und unkompliziert bezahlen zu können. Das ich mit den Transaktionen Daten hinterlasse, ist mir durchaus bewusst. Deswegen verzichte ich auch auf Google-/Apple-Pay, die müssen nun wirklich nicht auch noch diese Daten abgreifen.

In vielen europäischen Ländern kannst du mittlerweile alles und auch Kleinstbeträge mit der Karte zahlen (Eis, Parktickets, ...) und das auch noch mit jeder beliebigen Kreditkarte. Ich hatte zuletzt erst den Fall, dass beim Parken die Stunden recht teuer war um die 5€, man konnte dort aber nur mit Münzen zahlen, wer kommt denn bitte auf solch eine Idee?

Die Kontra-Punkte, die du aus den Medien zitiert hast, kann ich vollkommen nachvollziehen und das sind AUCH Gründe für mich darauf zu verzichten. Bargeld würde ich auch nicht mehr als relevant in einer Krise bezeichnen. Natürlich kommt man dann ein paar Tage länger damit hin (wenn Geld noch angenommen wird), aber ich horte zu Hause auch keine großen Mengen an Bargeld. Wenn mein Konto gesperrt wird, dann habe ich auch kein Bargeld mehr, das ist für mich kein Grund.

Aktuell ist es so, dass ich dort wo ich mit Karte zahlen kann, auch mit Karte zahle. Worauf ich wirklich bewusst achten muss, ist immer etwas Bargeld dabei zu haben, weil es eben überall noch nicht geht. Persönlich finde ich den Trend zu weniger Bargeld gut und praktisch. Ob es wirklich so sein muss wie in den skandinavischen Ländern, wo man schief angeschaut wird, wenn man NICHT Bargeldlos zahlen möchte, wage ich zu bezweifeln, aber die Möglichkeit sollte überall vorhanden sein.
Zuletzt geändert von Benschzilla am 15.10.2019, 07:08, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

Beitragvon Joyrider » 13.10.2019, 09:21

Benschzilla hat geschrieben:Ob es wirklich so sein muss wie in den skandinavischen Ländern, wo man schief angeschaut wird, wenn man Bargeldlos zahlen möchte, wage ich zu bezweifeln, aber die Möglichkeit sollte überall vorhanden sein.

Da bin ich voll bei dir!

Solange alles FREIWILLIG ist, sollte jede Person auch die Möglichkeit erhalten.

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Re: Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

Beitragvon linkin_park_forever » 13.10.2019, 23:15

Joyrider hat geschrieben:
Benschzilla hat geschrieben:Ob es wirklich so sein muss wie in den skandinavischen Ländern, wo man schief angeschaut wird, wenn man Bargeldlos zahlen möchte, wage ich zu bezweifeln, aber die Möglichkeit sollte überall vorhanden sein.

Da bin ich voll bei dir!

Solange alles FREIWILLIG ist, sollte jede Person auch die Möglichkeit erhalten.


Eine Pflicht zur Kartenzahlung (in großem Umfang) wird es in Deutschland nicht geben. Wenn einzelne Händler nur noch Karte nehmen sollten, dann liegt das daran, dass sie gezielt eine Nutzergruppe erreichen, die sowieso bereits alles mit Karte zahlt. Es wäre bei uns trotzdem ein Fortschritt, wenn man in der Gastro oder bei kleinen Händlern nicht blöd angeschaut wird, sobald man den Wunsch zur Kartenzahlung äußert. Oft versuche ich es bei Läden gar nicht erst, die vergilbte Uralt-Aufkleber draußen hängen haben. Da zahlt in 10 Jahren einer mit Karte und da braucht man sicher nicht mit Visa oder Mastercard kommen.

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Re: Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

Beitragvon Jensomio » 14.10.2019, 08:31

Problem ist halt, dass die Dienstleister und Banken sich für die Nutzung der Kartenterminals fürstlich entlohnen lassen. Da rechnen sich vor Allem Kleinstbeträge nicht wirklich.
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Re: Abschaffung von Bargeld - Wie steht ihr dazu?

Beitragvon linkin_park_forever » 14.10.2019, 20:33

Die Akzeptanzverträge dürften auch oftmals veraltet sein. Sparkassen und VR langen vermutlich gut hin, ja. Die Händler sollten dann aber die Initiative ergreifen und bessere Konditionen aushandeln. Es gibt zudem auch ein großes Angebot an Tarifen- auch von Start-Ups. Und die Kartenakzeptanz sorgt für mehr Kundschaft, vor allem in der Stadt. Das wiegt die Gebühren wieder auf. Wenn ich zwei gleich gute Italiener nebeneinander habe, dann gehe ich tatsächlich lieber in den Laden, der meine Karte annimmt.


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